Bundesweiter Bürgerbegehrensbericht 2016

Rostock, 16. Juni 2016

Bei Gesetzgebung und Praxis zu direkter Demokratie rangiert Mecklenburg-Vorpommern weiter am Ende der bundesweiten Skala

Am heutigen Donnerstag wird der bundesweite Bürgerbegehrensbericht 2016 auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt (Zusammenfassung).

Ergebnisse für Mecklenburg-Vorpommern

Vor einem Jahr veröffentlichte der Landesverband von Mehr Demokratie! den Bürgerbegehrensbericht Mecklenburg-Vorpommern 2015, in dem die direktdemokratische Praxis der Jahre 1994 bis 2014 untersucht wurde. Dessen Ergebnisse können nun aktualisiert und mit anderen Bundesländern verglichen werden.

2015 wurden in den 786 Gemeinden und Landkreisen Mecklenburg-Vorpommerns nur acht direktdemokratische Verfahren eingeleitet. Lediglich zwei kamen tatsächlich zur Abstimmung. Bei einem davon handelte es sich um ein Ratsreferendum, die Abstimmung wurde also nicht „von unten“ initiiert. Vier Bürgerbegehren wurden als „unzulässig“ abgelehnt, zwei sind bis heute offen. Die 2016 eingeleiteten Verfahren sind im Bürgerbegehrensbericht noch nicht berücksichtigt und überwiegend noch ohne Ergebnis.

Vergleich mit anderen Bundesländern

Mecklenburg-Vorpommern gehört hinsichtlich der Verfahrensregeln für die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene zur absoluten Schlussgruppe der Bundesländer. Daraus resultiert, dass es unter den Flächenländern lediglich in Sachsen-Anhalt und im Saarland noch weniger Bürgerbegehren und -entscheide gab. Kritisch sind v.a. drei Regelungen:

  • Besonders gravierend wirken sich die restriktiven Themenausschlüsse in Mecklenburg-Vorpommern aus (v. a. die Bauleitplanung)
  • Das Zustimmungsquorum (geforderter Anteil an „Ja“-Stimmen gemessen an den Abstimmungsberechtigten) beträgt in Mecklenburg-Vorpommern 25%
  • Die Frist, innerhalb derer ein Ratsbeschluss durch ein Bürgerbegehren korrigiert werden kann (Korrekturbegehren), beträgt nur sechs Wochen.

Insbesondere der Ausschluss der Bauleitplanung sorgt dafür, dass nur im Saarland mehr Bürgerbegehren für unzulässig erklärt werden als in Mecklenburg-Vorpommern. 2015 betrug diese Quote in Mecklenburg-Vorpommern 50%, für den Untersuchungszeitraum 1994 bis 2014 sogar 55%.

Nach den für 2016 geplanten und zum Teil schon beschlossenen Reformen in Rheinland-Pfalz, Thüringen und Niedersachsen wird Mecklenburg-Vorpommern noch weiter abgehängt. So verweigern nur noch fünf andere Länder ihren Bürger/innen die direkte Mitentscheidung bei dem zentralen kommunalpolitischen Themenfeld der Bauleitplanung. Beim Zustimmungsquorum wird Mecklenburg-Vorpommern dann den vorletzten Rang bekleiden.

Direkte Demokratie und die Flüchtlingskrise

Untersucht wurden auch Wechselwirkungen zwischen der Flüchtlingskrise und der direktdemokratischen Praxis. Im Jahr 2015 wurden bundesweit 21 Verfahren eingeleitet, die Flüchtlingsunterkünfte zum Gegenstand hatten. Einige davon verliefen schon vor Beginn der Unterschriftensammlung im Sande. Bis heute fanden in Deutschland erst drei Bürgerentscheide zu diesem Thema statt. Eine erfolgreiche Abstimmung gegen eine Flüchtlingsunterkunft gab es bisher nicht. In Mecklenburg-Vorpommern wurde noch kein einziges Bürgerbegehren eingeleitet.

Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Offensichtlich bietet sich das langwierige und diskursive Verfahren – aufwendige Unterschriftensammlung, lange öffentliche Debatte bis zur Abstimmung – gerade nicht für populistische Anliegen dieser Art an, wie häufig befürchtet wird.

Ausblick

Bundesweit setzt sich der Trend zu bürger- und anwendungsfreundlichen Verfahrensregelungen bei Bürgerbegehren und –entscheiden fort. In Mecklenburg-Vorpommern ist davon allerdings wenig bis nichts zu spüren. Da aber fast alle Parteien in ihren Wahlprogrammen eine Stärkung der direkten Demokratie fordern, geht Mehr Demokratie! davon aus, dass dies ein wichtiges Thema im anstehenden Wahlkampf sein wird. Die wichtigsten Prüfsteine dafür sind die

  • Zulassung der Bauleitplanung für Bürgerbegehren
  • Absenkung des Zustimmungsquorums
  • Streichung der sechswöchigen Frist für Korrekturbegehren.

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Herausgegeben wird die Studie vom Verein Mehr Demokratie! in Zusammenarbeit mit dem Institut für Partizipations- und Demokratieforschung der Bergischen Universität Wuppertal (IDPF) sowie der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg.