Demokratiedefizit - Zum Volksentscheid über die Gerichtsstrukturreform

Rostock, 22. 09. 2015


Mehr als 75 Prozent der Abstimmungsberechtigten blieben dem Volksentscheid vom 6. September fern. Das ist ein Rückschlag für die Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern. Allerdings liegen die Quoren in unserem Bundesland derart hoch, dass der Volksentscheid vom 6. September in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen erfolgreich gewesen wäre. Lediglich 53.000 Stimmen stützten die Position der Landesregierung und 83 Prozent der Abstimmenden votierten für die Rücknahme der Reform. „Wenn die Landesregierung die Volksabstimmung dennoch als Erfolg für sich verbucht, werden strukturelle Defizite sowohl der gesetzlichen Rahmenbedingungen wie auch der politischen Kultur deutlich“, betont Nicolai Pahne von Mehr Demokratie e. V., dem Fachverband für direkte Demokratie.
Sich der Stimme zu enthalten sei legitim – gerade bei einem so speziellen Thema wie der Gerichtsstrukturreform. Durch das exorbitant hohe Zustimmungsquorum von 33,3 Prozent – dem bundesweit höchsten – würden jedoch alle Stimmenthaltungen stillschweigend den Nein-Stimmen zugeschlagen. Dass nicht die Mehrheit der Abstimmenden entscheidet, sondern diejenigen, die sich nicht beteiligen, stelle die Demokratie auf den Kopf. Auch indem die Landesregierung die Volksabstimmung eine Woche nach den Sommerferien angesetzte, sendete sie ein fatales Signal aus.
Das Wissen darum, dass ein derart hohes Quorum nicht zu schaffen sein würde, demotivierte die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich. So blieben nicht nur die Befürworter der Reform zu Hause, sondern auch deren Gegner konnten nicht mobilisiert werden, sich an einer Abstimmung zu beteiligen, die ohnehin am Zustimmungsquorum scheitern musste. Wer ins Abstimmungslokal ging, tat dies, um ein symbolisches Zeichen gegen die Reform oder für die direkte Demokratie zu setzen. Kaum jemand glaubte daran, mit seiner Stimme tatsächlich etwas bewirken zu können. „Lässt sich Politikverdrossenheit unverblümter fördern?“, fragt Pahne und schlussfolgert: „So blieb der Volksentscheid ohne echte Entscheidung“.

Verfassungsreform jetzt angehen!
Es bleibt zu hoffen, dass die Reform der Volksgesetzgebung von der Landesregierung nun wieder aufgenommen wird, fordert Mehr Demokratie. Abstimmungen und Wahlen sollten gleich behandelt werden. Zur Erinnerung: SPD und CDU zusammen wurden 2011 von 29 Prozent der Wahlberechtigten gewählt. Niemand käme indes auf die Idee, die Annullierung der Landtagswahl zu fordern, weil die Regierung nicht ein Drittel der Stimmen erhielt oder die Stimmern der Nichtwähler den Stimmen der Oppositionsparteien hinzuzurechnen.
Mehr Demokratie e.V. fordert deshalb die Abschaffung eines Zustimmungsquorums. Akzeptabel wäre allenfalls ein Beteiligungsquorum von maximal 25 Prozent, wonach eine Mindestanzahl der Berechtigten an der Abstimmung teilnehmen muss. Die Abstimmung selber aber muss – wie bei einer Wahl – die Mehrheit der tatsächlich abgegebenen Stimmen entscheiden. „Nur so werden Volksentscheide ein ernstzunehmendes Instrument der politischen Kultur und lebendigen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern“, so Pahne.

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